Akkumulation | "[Der Mann] muss wirken und streben / Und pflanzen und schaffen / erlisten, erraffen, / muss wetten und wagen" (Schiller) | Häufung semantisch ähnlicher Wörter, um die Aussage zu intesivieren, der Oberbegriff wird meist nicht genannt; darf nicht übertrieben werden |
Allegorie | "Justitia" (= Gerechtigkeit); "Der Staat ist ein Schiff. Es gibt einen Kapitän, Steuerleute und Mannschaften. In der Not stehen die Mitglieder der Besatzung füreinander ein." - die zweite Strophe von "Es kommt ein Schiff geladen" | Veranschaulichung 1. eines abstrakten Begriffes durch ein leicht fassliches Bild, z.B. "Justitia" (Begriffsallegorie); wenn dieses Bild eine Figur ist mit menschlichen Zügen, spricht man auch von Personifikation; 2. eines abstrakten Vorstellungskomplexes oder Begriffsfeldes durch eine Bild- oder Handlungsfolge; z.B. wenn der Kampf von Gut und Böse als Kampf zwischen Raubtieren dargestellt wird (Geschehensallegorie), es handelt sich dann um eine fortgesetzte Metapher, wobei allerdings die Ähnlichkeit nicht gegeben sein muss: möglicherweise ist die Analogie erklärungsbedürftig |
Alliteration | "über Stock und Stein" - "mit Kind und Kegel" - "Haus und Hof" | Stabreim; gleicher Anfangslaut vor betonten Silben; besonders wichtig in den germanischen Literaturen, weil diese Sprachen einen Anfangsakzent haben |
Allusion | "So sehen unsere 'blühenden Landschaften' aus." (Anspielung auf des Kanzlers Versprechen bei der Bundestagswahl 1990, er werde für "blühende Landschaften" in der Ex-DDR sorgen) | Rhetorischer Fachbegriff für das deutsche "Anspielung" (vgl. engl./frz. "allusion"); der Bezug darf dabei nicht benannt werden |
Anakoluth | "deine Mutter glaubt nie daß du vielleicht erwachsen bist und kannst allein für dich aufkommen" (Johnson, Mutmaßungen über Jakob) | Grammatisch nicht folgerichtige Konstruktion eines Satzes; normalerweise schlicht ein Fehler, kann aber auch eingesetzt werden, um Figuren (mittels ihrer Sprechweise) zu charakterisieren oder um heftige Emotionen auszudrücken |
Anapher | "Das Wasser rauscht, / das Wasser schwoll." (Goethe, Der Fischer) | Wiederholung eines oder mehrerer Wörter am Zeilen- bzw. Satzanfang (vgl. Epipher) |
Antithese | "Alle reden vom Wetter. Wir nicht." (Deutsche Bahn AG, Werbung) - "Ernst ist das Leben, heiter die Kunst." (Schiller, Prolog zu Wallenstein) - "Gute Zeiten, schlechte Zeiten." (Fernsehserie) | Entgegenstellung von Begriffen und Gedanken; meistens mit Wortstellungsfiguren wie Parallelismus oder Chiasmus kombiniert |
Antonomasie | "der Korse" = Napoleon - "ein Judas" = ein Verräter | Umschreibung eines Eigennamens durch besondere Merkmale oder umgekehrt: Umschreibung eines Merkmals durch den Eigennamen eines seiner typischen Vertreter |
Apokoinu | "Ein Mann muß tun, was ein Mann tun muß ein Mann tun, was ein Mann tun muß?" (H. R. Kunze) | Einem Wort (hier: dem zweiten "muß") in Mittelstellung werden zwei syntaktische Funktionen zugewiesen |
Aposiopese | "'Tony!', sagte sie, 'ich glaube, daß mich Gott -' Und die kleine Antonie [...] blickte [...] ins Zimmer hinein." (Th. Mann, Buddenbrooks) | Absichtlicher Abbruch der Gedankenfolge, um die Spannung zu steigern; die Folge ist oft aus dem Kontext erschließbar |
Apostrophe | "Erhebt eure Herzen, meine Brüder, hoch, höher!" (Nietzsche) | Pathetische Anrede |
Archaismus | "Oheim" (für Onkel) | zur Entstehungszeit eines Textes veralteter Ausdruck |
Assonanz | "Du liebes Kind, komm, geh mit mir! / Gar schöne Spiele spiel ich mit dir!" (Goethe, Erlkönig) - "Jeder Schleimer, der scheinbar in Weimar zwei-, dreimal dabei war / gilt heute als Klassiker pur, als Leitkultur ... warum nur?" (Wise Guys) | Gleichklang nur der Vokale - die Konsonanten können wechseln (Vorform des Reims, der eigentlich auch in diese Liste gehört; rhetorischer Fachausdruck dafür: Homoioteleuton) |
Asyndeton | "Veni, vidi, vici." (Cäsar) | Auslassung von Konjunktionen bei einer Reihung; Gegenteil: Polysyndeton |
Chiasmus | "Der Einsatz war groß, klein war der Gewinn." | Überkreuzstellung von syntaktisch oder semantisch einander entsprechenden Satzgliedern, häufig durch Antithese verstärkt; Gegenteil: Parallelismus |
Chiffre | "Schwarze Milch der Frühe" (Paul Celan); "Flug" bei Trakl als Chiffre für Aufbruch ins Ungewisse, Ferne | Verrätseltes Wort, das mit vielfältigen Bedeutungen aufgeladen ist; ohne Kontextwissen oder Wissen über den Autor oft nicht zu entschlüsseln; Chiffren können in verschiedenen Texten eines Autors immer wieder auftauchen |
Correctio | "Wir sind ja doch mehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!" (Gryphius) - "Ich trinke; trinke? nein, ich saufe!" | Unmittelbare Berichtigung einer eigenen Äußerung; dient meist zu Steigerung; oft mit Wiederholung des zu korrigierenden Ausdrucks; in Gerichtsreden auch Berichtigung von Worten des Gegeners |
Ellipse | "Habe nun, ach! Philosophie / [...] Durchaus studiert." (Goethe, Faust) | Unvollständiger Satz, Auslassung von Wort- oder Satzteilen (hier: des "ich"), die aber aus dem Zusammenhang leicht zu ergänzen sind |
Emphase | "Männer sind nicht immer Soldaten, Soldaten aber immer Männer" (Bundeswehranzeige) | besonders betonte, semantisch eingeschränkte Verwendung eines Wortes; hier z.B. werden "Männern" beim zweiten Mal besondere männliche Eigenschaften zugesprochen (Tapferkeit, Kameradschaft, Treue, Kampfkraft) |
Epipher | "Doch alle Lust will Ewigkeit / - Will tiefe, tiefe Ewigkeit." (Nietzsche) | Umkehr der Anapher: die wiederholten Glieder stehen am Satz- oder Zeilenende |
Epitheton ornans | "der listenreiche Odysseus" (Homer), der eiserne Kanzler (= Bismarck) | schmückendes Beiwort (Adjektiv); wird bei allerlei passenden Gelegenheiten wiederholt |
Euphemismus | "Heimgang" (für "Tod") | Beschönigung, Vermeidung eines als zu stark empfundenen Wortes, das durch eine - oft verharmlosende - Umschreibung ersetzt wird |
Exclamatio | "O tempora! O mores!" [= O Zeiten, o Sitten!] (Cicero, Catilina) - "Hoch soll er leben!" | Umwandlung einer Aussage in einen Ausruf (z. B. könnte Cicero auch sagen: "Die Sitten sind heutzutage verdorben.") |
Geminatio | "Die Blätter fallen, fallen wie von weit" (Rilke) | Unmittelbare Wiederholung eines Wortes oder eines Wortgruppe |
Genus humile | niedrige Stilebene, alltagssprachlich, schlicht, ohne rhetorischen Schmuck (dabei aber nicht vulgär) |
Genus medium | mittlere Stilebene, die rhetorischen Schmuck verwendet und durchaus elaboriert ist |
Genus mixtum | absichtliche Mischung von hohem und niedrigem Stil; vor allem in komischen Texten wird gern eine hohe Ebene erklettert (genus sublime), damit die Fallhöhe hinunter zur niedrigen Ebene (genus humile) möglichst groß wird |
Genus sublime | hohe Stilebene, die ausgiebig rhetorischen Schmuck verwendet, vor allem auch Pathos (z.B. feierliche Apostrophen), erlesene Wortwahl, altertümlicher Satzbau |
Hendiadyoin | "immer und ewig" - "Beistand und Hilfe" | "Eins durch zwei": Wiederholung eines Begriffes oder Ersetzung durch ein Synonym, um die Wirkung zu erhöhen; vgl. auch die Bsp. unter Alliteration |
Homoioteleuton | "Ich stand / Am Band." (Wiglaf Droste) | = Reim; aber das Wort ist so schön, dass es verdientermaßen in diesem Lexikon steht: Homoi-o-teleuton |
Hyperbaton | "[sie] malen den neinsagern auf die brust / zinken" (Enzensberger, ins lesebuch für die oberstufe) | Sperrung; Satzstellung, die von der üblichen abweicht; gleichzeitig Enjambement |
Hyperbel | "Riesenwaschkraft" (Werbung) - "tausend Dank" | Starke Übertreibung (manchmal durch zu häufigen Gebrauch abgenutzt) |
Hysteron proteron | "Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen" (Goethe) | Falsche logische oder chronologische Reihenfolge |
Inversion | "Hänschen klein" - "Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung" (Klopstock, Messias) | Verkehrung der sprachüblichen syntaktischen Wortstellung (die wäre: "das kleine Hänschen", "die Erlösung der sündigen Menschen") |
Ironie | "Du bist mir vielleicht ein schöner Freund." | Ersetzung des eigentlichen durch den entgegengesetzten Ausdruck; erkennbar, indem man den Kontext und/oder Wissen über den Sprecher in die Interpretation einbezieht ("der kann das so nicht gemeint haben"), manchmal graphisch hervorgehoben (Anführungszeichen, Kursivdruck o. ä.), was die besondere Betonung beim Sprechen wiedergibt; vielleicht die schwierigste Stilfigur |
Katachrese | 1. Tischbein; 2. "Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir schon einen großen Schritt weiter." (ziemlich alter Witz) | 1. "tote Metapher", es gibt kein "eigentliches" Wort mehr; 2. "schiefes Bild", Kombination aus Elementen unterschiedlicher Bildbereiche; normalerweise ein Stilfehler, kann aber auch absichtlich mit komischer Wirkung genutzt werden |
Klimax | "Veni, vidi, vici." (Cäsar) - "Gut. Besser. Paulaner." (Werbung) | Steigerung vom schwächeren zum stärkeren Ausdruck hin, oft dreigliedrig; Antiklimax: Steigerung zum schwächeren Ausdruck hin |
Kontamination | "Datei" (Datei + Kartei) - "Brunch" (Breakfast + Lunch) | Wortkreuzung, Kofferwort: Zusammensetzung aus mindestens zwei unterschiedlichen Wörtern, wobei Bestandteile wegfallen (also keine normale Wortzusammensetzung wie "Gartentür") |
Litotes | "Das war keine leichte (statt: eine sehr schwierige) Aufgabe." | Betonung durch doppelte Verneinung; mit der Ironie verwandt; oft als Understatement (Untertreibung) zu verstehen |
Metapher | "Achill ist ein Löwe" (Standardbeispiel für Metapher seit der Antike) - "Augen, meine lieben Fensterlein" (G. Keller, Abendlied) - "Tischbein" (allgemeiner Wortschatz) | Ein eigentlich gemeintes Wort wird durch ein anderes ersetzt, das zu jenem in einer Abbild- oder Ähnlichkeitsrelation steht, aber aus einem anderen Bereich stammt; verkürzter Vergleich, d. h. der Vergleich wird nicht durch "wie, als" o. Ä. benannt, aber es muss wie beim Vergleich ein tertium comparationis vorhanden sein (in den Beispielen: "Helligkeit" als gemeinsames Merkmal von "Augen" und "Blitz", "Tapferkeit", "Öffnung für Licht", "Halt auf dem Boden"); das letzte Beispiel zeigt, wie Metaphern verblassen können, so dass sie nicht mehr als solche empfunden werden; die Metapher ist die wichtigste Figur in der Lyrik; und ganz allgemein würde die Sprache ohne sie nicht funktionieren |
Metonymie | "Sie kannte ihren Goethe auswendig" - "Noch ein Gläschen!" - "Ganz München freute sich mit dem FC Bayern" | Ersetzung eines Wortes durch ein anderes, das zu ihm in unmittelbarer Beziehung steht (Beispiele: Autor für Werk, Gefäß für Inhalt, Ort statt Bewohner) |
Oxymoron | "Schwarze Milch der Frühe" (Celan, Todesfuge, gleichzeitig eine Chiffre) - "schaurig schön" - "beredtes Schweigen" - "bittersüß" | Contradictio in adiecto; enge syntaktische Verbindung von zwei einander ausschließenden Begriffen |
Paradoxon | "Nichts ist dauerhafter als der Wandel." | Scheinwiderspruch, der unerwartete Aspekte eines Gegenstands offenbart (Betonung auf der zweiten Silbe: Parádoxon; auch: Paradox) |
Parallelismus | "Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein; / Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein" (Gryphius, Es ist alles eitel) - "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold." | Inhaltlich oder syntaktisch einander entsprechende Elemente stehen in der gleichen Reihenfolge wie beim ersten Mal (hier ist der Parallelismus mit einer Antithese verbunden); Gegensatz Chiasmus |
Neologismus | "Dass nicht alle Knabenmorgen- / Blütenträume reiften" (Goethe, Prometheus) | Wortneuschöpfung, die sich (noch) nicht im Wörterbuch findet |
Onomatopoesie | "klappern, zwitschern", "Pauke", "Hurre, hurre, hurre! / Schnurre, Rädchen, schnurre!" (Bürger, Spinnerlied) | Lautmalerei; sehr üblich in Wörtern, die Lautäußerungen bezeichnen |
Parenthese | "So bitt ich - ein Versehn wars, weiter nichts - / Für diese rasche Tat dich um Verzeihung." (Kleist, Penthesilea) | Grammatisch selbständiger Einschub (von einzelnen Worten bis hin zu ganzen Sätzen) in einen Satz, der dessen Zusammenhang unterbricht, ohne jedoch seine grammatische Ordnung zu verändern |
Paronomasie | "Und alle die deutschen Länder / sind verkehrt worden in Elender." (Schiller, Wallensteins Lager) - "Das einzig Wahre - Warsteiner." (Werbung) | Wortspiel, wobei semantisch unterschiedliche Wörter teilweise übereinstimmen |
Periphrase | "Er ist von uns gegangen." - "Schlafes Bruder" (= der Tod) - "der Sohn Gottes" (= Jesus) - "der Ober-Bayer" (= der bayerische Ministerpräsident; aus dem Spiegel) | Umschreibung; wichtiges Element des hohen rhetorischen Schmucks, aber auch im Journalismus sehr beliebt |
Personifikation | "Es war als hätt der Himmel / Die Erde still geküsst" (Eichendorff)
| Vermenschlichung eines Dinges oder eines abstrakten Sachverhalts (auch: Anthropomorphisierung, weil Personifikation im Sinne von (Begriffs-) Allegorie verwendet wird) |
Pleonasmus | "weißer Schimmel" - "tote Leiche" - "eine andere Alternative" | "Doppelt gemoppelt"; meist Fügung aus Adjektiv + Substantiv; das Adjektiv nennt dabei (überflüssigerweise) ein ohnehin vorhandenes Merkmal des Substantivs (ein Schimmel ist weiß, eine Leiche ist tot; daher ist eine pleonastische Ausdrucksweise ein stilistischer Fehler, wenn sie keine beabsichtigte Wirkung hat) |
Polysyndeton | "[Der Mann] muss wirken und streben / Und pflanzen und schaffen" (Schiller, Glocke) | Wiederholung der immer gleichen Konjunktion (hier: und); Gegensatz: Asyndeton |
Rhetorische Frage | "Machen wir nicht alle Fehler?" | Scheinfrage, um einem Gegenstand mehr Nachdruck zu verleihen |
Sustentio | "Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen - überall hin." (Buchtitel) | Spannungserhöhung durch Überraschung; Sematik kippt um, so dass eine Pointe entsteht |
Symbol | "Kreuz" Christentum - "Krone" Macht - "Herz" Liebe - "Fußwaschung" Unterwerfung | Konkretes Sinnbild, das über sich hinaus auf etwas Abstraktes verweist; vor allem außersprachlich; kann auch eine Handlung sein; meistens kulturell vermittelt und allgemein bekannt |
Synästhesie | "Die Farbe des Geldes" (Film von M. Scorsese) | Vermischung von unterschiedlichen Sinnesbereichen |
Synekdoche | "Willkommen unter meinem Dach." - "Er nahm das Szepter in die Hand." | Pars pro toto: ein Teil steht für das Ganze ("Dach" für "Haus"; "Szepter" für "(königliche) Macht") |
Topos | Lob der Schönheit der Geliebten, der Friedensliebe des Herrschers, der guten alten Zeit ... - "Ich weiß nicht, ob ich zu einem so großen Thema gerecht werden kann." | In einem bestimmten Zusammenhang immer wiederkehrendes Standardargument (hier: Lobestopoi; Bescheidenheitstopos zu Beginn eines Textes); der Plural ist "Topoi" |
Vergleich | "Achill ist stark wie ein Löwe" (Standardbeispiel für Vergleich seit der Antike) | Verknüpfung zweier Gegenstände durch ausdrücklichen Vergleich, erkennbar durch Wörter wie "wie", "als" usw.; genau dies ist der Unterschied zur Metapher |
Zeugma | "Er schlug die Stühl' und Vögel tot." | Ungewöhnliche, eigentlich falsche Zuordnung unterschiedlicher Satzglieder zueinander (häufig Verben und Objekte) |
Mein Text ist aus diesen Quellen (und vielleicht noch aus vielen anderen) zusammengebaut; Beispiele habe ich teilweise selbst beigebracht.