Gedichtinterpretation: Fragenkatalog

Vorbemerkung

Das Verfahren zur Interpretation von Gedichten lässt sich vergleichen mit dem zur Analyse von Erzähltextabschnitten. Die Unterschiede liegen darin, dass in einem Gedicht meist keine Geschichte erzählt wird (Ausnahme: Balladen), sondern dass ein lyrisches Ich seine Stimmung wiedergibt. Ferner ist lyrisches Sprechen formal "überstrukturiert", das heißt die rhetorischen Mittel sind außerordentlich dicht gepackt.

Vorarbeiten

Erstes Lesen und Notieren des Eindrucks, den das Gedicht macht
Notizen zum Vorwissen:
Zu welcher Textart gehört es?
Was ist das Charakteristische der Textart?
Wissen über den Autor notieren
Wissen über die Entstehungszeit und deren Probleme (historisch-politisch; literatur- und kulturgeschichtlich) notieren
Bei Gedichten aus Gedichtsammlungen: Stellung des Textes im Zusammenhang?

Analyse des Inhalts

Text nochmals sorgfältig durchlesen und Sprechinstanzen (lyrisches Ich/Sprecher, Angesprochene/r, Orts- und Zeitangaben, Auffälligkeiten im Satzbau und in der Wortwahl, Schlüsselbegriffe usw. unterstreichen
Text in Abschnitte teilen und den Abschnitten Überschriften geben
Gibt es eine dominierende Sprechhandlung? (Beschreiben, Appell, Klage ...)
Inhalt knapp zusammenfassen: Was ist der Gegenstand des Gedichts? Worum geht es?
Gibt es eine wichtige Gegenstände?
Gibt es wichtige Motive?
Von welcher Zeit, von welchen Zeitabschnitten ist die Rede?
Von welchen Orten ist die Rede? Haben die Orte symbolische Bedeutung (Spiegelung des Inneren)? Gibt es Grenzen und Grenzüberschreibungen?

Analyse der Form

Am Text die Gattungsmerkmale begründen
Äußeres Erscheinungsbild (Druckbild) beschreiben
Metrik und Rhythmus, Reim, Strophenformen
Bilder, Bildbereiche bestimmen
Rhetorische Mittel beschreiben: Klangliche Stilfiguren, Wortstellungs- und Wortersetzungsfiguren
In welcher Zeitform (Präsens, Präteritum, Perfekt) ist der Text abgefasst? Wechselt die Zeitform?
Werden besondere Begriffe, Wörter oder Wortarten bevorzugt verwendet?