Zugrunde liegender Text:
Neil Postman: Sieben Thesen zur Medientechnologie. Aus dem Amerikanischen von Reinhart Kaiser. In: Die verstellte Welt. Beiträge zur Medienökologie. Herausgegeben von Werner D. Fröhlich u.a. Frankfurt/M. 1988, S. 9-22, hier S. 11-14.
Aufgabe:
Analysieren Sie nachfolgenden Text von Neil Postman und nehmen Sie vor dem Hintergrund der Medienentwicklung der letzten 10-15 Jahre Stellung zu ausgewählten Positionen des Autors.
Neil Postman befasst sich in diesem Text mit Vor- und Nachteilen, welche neue Medientechnologien für bestimmte Gruppen mit sich bringen, die von dieser neuen Technik betroffen sind bzw. von der überholten abhängig waren.
Postman beginnt mit einer grundlegenden These, die im späteren Textverlauf anhand von gesellschaftlichen Beispielen belegt wird. Er behauptet, dass bei einem technologischen Fortschritt einige Gruppen Vorteile gegenüber anderen erwerben. Wieder andere seien davon allerdings überhaupt nicht betroffen.
Postmans erster Beleg für seine These ist die Erfindung des Buchdrucks im 16.Jahrhundert. Dieser ermöglichte jedem Gläubigen die Bibel für sich allein in seinem Haus, also fernab der Kirche, zu lesen und zu interpretieren. Die Kirche, welche bisher als einziges Sprachrohr Gottes fungierte, sah dies natürlich nicht gern. Sie verlor an Macht. Egal hingegen war es den Juden. Für sie brachte diese Entwicklung keine Nachteile, aber auch keine Vorteile. Sie waren ganz einfach nicht von dieser Entwicklung betroffen.
Postmans zweites Beispiel ist weitaus aktueller. Er beschreibt die Machtübernahme des Fernsehens und die dadurch schwindende Einflussnahme eben jener im 16. Jahrhundert erungenen Technologie des gedruckten Wortes. Vorteile bringt diese Entwicklung logischerweise denen, die auf der richtigen Seite stehen, also Angestellte des Fernsehens sind. Im Gegensatz dazu stehen natürlich diejenigen, die abhängig sind vom gedruckten Wort. Postman nennt die Lehrer, welche sich in ihrem Unterricht ja auf dieses Medium berufen. Er sieht in ihnen anscheinend eine vom Aussterben bedrohte Art, wenn sie den selben Fehler begehen wie seinerzeit der Hufschmied bei der Erfindung des Automobils. Dieser lobpreiste und befürwortete diese neue Erfindung. Er sah sogar eine Bereicherung für sein Gewerbe in ihr. Schließendlich aber war sie ein Untergang. Hätte er sich doch lieber angepasst!
Um seiner These größere Transparenz zu verschaffen, beruft sich Postman auf eine Erzählung eines Gelehrten. Dieser sagt aus, dass neue Medien immer alte Wissensmonopole zerbrechen. Indem sie neue hervorbringen, verschieben sich die Macht- und Einflusspotentiale von einer Gruppe auf die andere (Zeile 34-36). Kurz gesagt bringen neue Medien neue Eliten, welche die Macht der Älteren übernehmen. Als ein weiteres Beispiel dafür bringt er die Ersetzung der Bildschrift durch das Alphabet und fügt allgemeingültig hinzu, dass dieser Prozess bei jeder Neueinführung eines Mediums anstelle eines Alten geschehe bzw. geschah. Diese neuen Druck- und Kommunikationsstile schaffen neue Auffassungen von Politik. Postmann veranschaulicht dies am Beispiel des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Reagan, der es aufgrund des neuen Mediums Fernsehen und seiner sicherlich nicht alltäglichen Gabe dieses perfekt zu nutzen, es zu diesem Aufstieg brachte.
Um diese Entwicklung zu überschauen, stellt Postmann drei essentielle Fragen, adressiert an die "intellektuellen Mutanten" der Gesellschaft, also diejenigen, die von den neuen medialen Errungenschaften aufgrund ihres überschauenden Intellekts und ihrer Grundeinstellung nicht so vereinnahmt werden wie das gemeine Fußvolk. Die drei Fragen beinhalten wer von den neuen Technologien profitiert, wem sie zugute kommt und wem sie schadet.
Diese grundlegenden Fragen sollten laut Postman in Bezug auf jedes neue Medium gestellt werden, eben auch in Bezug auf die Computertechnologie, welche ja bisher ohne Zweifel eine ganze Reihe von positiven Erscheinungen mit sich brachte. So erleichtert es das Leben von Regierungen, Banken und andern in ähnlich großem Umfang agierenden Institutionen. Nur, so stellt Postman die Frage in den Raum, ist es für Kinder im Schulalter wirklich so wichtig, zu wissen, wie ein Computer arbeitet? Oder gibt es nicht wichtigere Dinge, die Kinder in diesem Alter lernen sollten? Und wenn die nun beantwortet wird mit: "Ja, Kinder sollten in diesen Alter mit Computer arbeiten, da er neue Denkweisen eröffnet!" - dann sollte man laut Postman hinterfragen, wer der wahre Nutznießer dieser Entwicklung ist. Wem also nutzt diese Entwicklung wirklich? Warum wird sie vorangetrieben? Welche Interessen vertritt sie? Der einzige Grund, warum Postman all diese Fragen aufwirft, ist der, dass auch diese neue Technologie bestimmten Gruppen schadet. Wie die Geschichte zeigt, wurden diese Schäden bzw. negativen Entwicklungen oft erst im Nachhinein erkannt. Genau das will Postman verhiundern.
Postmans Position ist durchaus vertretbar. Sie ist gut strukturiert und historisch durch Beispiele fundiert dargestellt, wenn die Betrachrung der Geschehnisse auch einseitig ist. Dies ist aber aufgrund der Intention Postmans (er will gar keine anderen Saiten aufziehen, da er von seiner Position vollends überzeugt ist) vertretbar.
Auch die Entwicklung der letzten 10 bis 15 Jahre spricht für die Argumentation Postmans. Man nehme nur den italienischen Medien-Mogul Berlusconi als Beispiel - dieser schaffte sein politisches Imperium nur aufgrund seiner immensen Medienmacht aufzubauen - er besitzt persönlich die wichtigsten italienischen Fernsehsender!. Dieser Fakt bestätigt meiner Meinung nach Postman, der ja das Verschieben von Macht- und Einflusspotenzialen bei Einführung neuer Medienbeweise bzw prophezeite. Hier verschob sich die Macht von allen anderen Medien auf das Medium Fernsehen, welches in diesem Fall von einem einzigen kontrolliert wird. Diese Entwicklung beinhaltet natürlich viele Gefahren, welche von der Infragestellung der Meinungsvielfalt bis hin zu einer echten Gefährdung der Demokratie gehen.
Eine weitere Entwicklung, der Postman kritisch gegenüber stand, ist die des Computers. Wie die Zeit zeigte, war diese Ansicht durchaus berechtigt. So wird der Computer heute immer noch als ein sinnvolles Hilfsmittel angesehen, im Vordergrund scheint aber das Geldverdienen durch Computerspiele u. Ä. zu stehen, nicht mehr der positive Ansatz der neuen Denkweisen.
Weiterhin wird Postmans These bestätigt die Entwicklung des Internets, eines relativ neuen Mediums: Es bringt Vorteile, indem es viele und schnelle Nachrichten, Bilder und Musik bringt. Da ist aber auch der Nachteil zu sehen. Diese anderen Medien werden vernachlässigt und verkümmern; so hat die Musikindustrie stark unter illegalen Musik-Downloads zu leiden.
Alles in allem kann ich mich Postmans Meinung und Argumentation voll anschließen. Sein Text zeigt einen absolut nachzuvollziehenden Erklärungsansatz, welcher durch geschichtliche Ereignisse vor und nach der Verfassung des Textes bestätigt wurde. Weiterhin spiegelt er meiner Meinung nach die Gesellschaft und wie sie in diesem Zusammenhang funktioniert, sehr gut wieder. Der einzige Punkt, in welchem ich mit Postman nicht übereinstimme, ist der, dass er den Lehrern solch ein schlechtes Zeugnis für die Zukunft ausstellt. Meiner Meinung nach wird es ohne das menschliche Zutun, sei die Technik noch so hoch entwickelt, nie funktionieren. Und wie die Zeit zeigte, haben die Lehrer nicht den Fehler des Hufschmieds begangen, sondern sie haben sich angepasst und bedienen sich nun der neuen Medien im positiven Sinne.
(ca. 1000 Wörter; verfasst im Frühjahr 2002 von Chr. Mundt)
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