Man ahnt es schon lange, aber nun habe ich durch scharfes Nachdenken den Beweis gefunden. Genauso wie Verschwörungstheorien sich dadurch auszeichnen, dass sie hinter harmlosen Zufällen finstere Absichten wittern, genau so ist es ein Merkmal von Gedichtinterpretationen, dass sie unschuldige Texte und kindlich reine Worte zu Transportgefäßen unfassbar komplexer Intentionen des Autors machen.
Mit anderen Worten:
Der Titel sagt eins und meint etwas anderes
Und hinter den Büschen lauert ein finsterer Plan.
Hyperbeln plustern sich mächtig auf und
Der Reim ist nicht einfach nur schön.
Der Daktylus klappert am rauschenden Bach
Und verbiegt den Vergleich wie am laufenden Band.
Und du, Apostrophe! betonst den hochtrabenden Stil.
Der Anakoluth verstolpert sich kurz vor dem. Doch da
Springt der Mops mit der Wurst um die Ecke und bellt:
Willkommen im muntern Metapherngestöber!
Alles kein Zufall: Das kann dich was lehren.
Das musst du deuten, erläutern, erklären.
Der einfache Anschein stimmt niemals, stimmt nie,
Es stimmt die Verschwörungstheorie.
Gedichtinterpretationen sind Verschwörungstheorien
Februar 2019