Ein graues altes Buch, für 50 Cent auf einem dieser Flohmärkte hier in der Gegend erstanden, wo die DDR-Literaten in muffigen Bücherkartons ihrer letzten Bestimmung entgegenhoffen. Klar, dieses Buch war im Westen nicht populär, ich habe nie etwas davon gehört, Stefan Zweig geisterte durch die Lektürelisten und Arnold Zweig durch die Listen mit den schwarzen Männern, vor denen man Angst haben musste, denn sie standen für den Ostblock.
Und nun hole ich eine zweite literarische Sozialisation nach, indem ich diese vollkommen veralteten Romane lese. So alt, älter geht’s gar nicht: Von der Literaturgeschichte überholt, von den Erzähltechnikern, von den Zynikern und von der Geschichte gleich sowieso, denn wer will nach 1989 noch etwas von Kulturbündlern hören. Niemand. Und wer grabbelt in wurmstichigen Bananenkisten herum?
Und doch war diese Lektüre sehr wertvoll. Gar nicht prätenziös, ganz genau und melancholisch, in einem handfesten Ton, der Berliner Schnauze kennt, expressionistische Explosionen und Goethezitate; das ganze Programm. Bizarr, dieses Leben in der Etappe, diese deutsche Verwaltungselite, die Frontabschnitte organisieren kann wie zuvor bayrische Landkreise. Die eigentliche Front wird dabei in merkwürdiger Schemenhaftigkeit nur präsent. Man sieht die Feinde (mit einer nebeligen Ausnahme) nicht, sondern spürt nur die donnernden Einschläge der Bomben und Granaten.
Und dann dieser sinnlose Bombenflieger, der aus Versehen ein Lazarettgebäude und die Romanhandlung in Schutt und Asche legt. Denn aus Versehen kann das Verbrechen dieses Textes nicht gesühnt werden: Der als Heldentod getarnte Mord an einem kleinen Unteroffizier. War wohl irgendwie zu unwichtig.
Ganz im Gegensatz zu diesem Roman.